Kategorie:  Symphonie / Orchester

Sätze: 1: Allegro vivace 'Punished by gods'
2: Adagio 'Visions' 3: Vivo 'The liberation of Sisyphos'

Dauer: 30:00 (14:00 / 08:00 / 08:00)

Notenausgabe: Schott Music (Music for hire / Leihmaterial) , 2006

Besetzung: 2 Fl.(auch Picc.), 2 Ob, 2 Klar, BassKl., 2 Fg., 3 Hr., 3Trp., 3 Pos (TTB), Basstuba, Soloschlagzeug, 2 Percuss., Streicher (16-14-12-10-8)

Soloinstrumente: Percussion

Vorwort: Die 35minütige Sinfonie ist von der mythologischen Figur Sisyphos inspiriert, der wegen frevlerischer Listigkeit (mit der er selbst den Tod in seine Gewalt brachte)zu ewiger Arbeit verdammt worden war. Der erste Satz 'Punished by gods' spiegelt in den Formen von Rondo und Perpetuum mobile diesen Zustand sinnlosen Beschäftigtseins. Der zweite Satz 'Visions' ist von Albert Camus Essay über die Sisyphosfigur als Chiffre des Absurden inspiriert und führt uns 'Illusion' und 'Hoffnung' als die eigentlichen Ursachen menschlichen Leidens vor: falsche Träume von Utopie und Hoffen auf bessere Zeiten... statt dem Akzeptieren von Mühe, Leere und Begrenztheit. Durch diese Einsicht gelingt im dritten Satz 'The Liberation of Sisyphos' in einem gewaltigen Kraftakt die Befreiung: das von Utopien befreite Sein findet im erdigen 'Jetzt' statt. Die Bewegung des Anfangs wird zwar wieder aufgenommen, aber nunmehr mit der lebensfrohen Vitalität der großen Trommel durchsetzt.
In seinem 'Schicksal ist keine Bestrafung. Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen' hat Albert Camus die zentrale Frage, 'ob das Leben die Mühe, gelebt zu werden, lohnt oder nicht' für jeden Menschen positiv beantwortet.
Der Sisyphos-Mythos erweist in hohem Maße einen autobiographischen Bezug zur Lebensphilosophie Enjott Schneider.

Widmung: ...für Stefan Blum und viele Jahre Freundschaft

Anmerkungen: Das Werk kann als sinfonisches Solokonzert oder als Sinfonie aufgefasst werden: Es ist auch in Einzelteilen aufführbar.

Uraufführung:  02.10.2001, Herkules-Saal München

Uraufführung Interpreten: Stefan Blum (Schlagzeug) und die Münchner Symphoniker,
Ltg: Heiko Mathias Förster

Uraufführung Presseberichte: Süddeutsche Zeitung (13.2.2001): Münchner Symphoniker: GlückGLÜCKLICHER SISYPHOS. Drei brachiale Werke: seit Heiko Mathias Förster 1999 die Münchner Symphoniker übernahm, hat sich die Programmkontur gewandelt... So wurde das dritte Werk des Abends im Herkulessaal zum Hauptereignis. Es war die Uraufführung von Enjott Schneiders Sinfonie Nr.2 für Schlagzeug und Orchester mit dem Titel 'Sisyphos'....Er will eine griffige Musik schreiben, die mit psychischen Reiz-Reaktionsmechanismen spielt, Musik, die etwas erzählt. Und dies gelang auf verblüffende Weise. Es mag schon sein, dass dem viel beschäftigten Komponisten der Sisyphos-Mythos besonders nahe liegt: vor allem mit der Wendung, die das dreisätzige Werk deutend unternahm. Aus dem hektischen Leerlauf des Tuns (1. Satz) gelangt der Mensch über visionäre Einsichten (der beschwörerisch ruhige zweite Satz) zum Resultat, dass das permanente Tun keine Strafe, sondern Bestimmung ist. 'Wir müssen uns Sisysphos als einen glücklichen Menschen vorstellen', meinte Camus in seinem Sisyphos-Essay, auf den sich Schneider bezieht. Die Musik sprach unmittelbar an: klare und plastische Linien, thematische Konzentration, ein Sound, der die Vertrautheit mit Filmmusik gar nicht verleugnen wollte. Und alles, vor allem in den impulsiven Ecksätzen, saß passgenau. Dem Schlagzeuger Stefan Blum machte seine sisyphosartige Auslastung sicht- und hörbar Spaß....(Reinhard Schulz).
Münchner Merkur (12.2.2001): An Schlagkraft mangelte es auch der rund 35minütigen Uraufführung von 'Sisyphos' - Sinfonie Nr. 2 nicht... Man merkt: Komponist und Orchester ergänzen sich in ihrer Liebe zur Filmmusik. Solist Stefan Blum hatte ausreichend Gelegenheit, seine Virtuosität und Sensibilität im Umgang mit den vielfältigen Schlaginstrumenten zu beweisen und war der Lichtblick des Abends (Dorothea Husslein).
Süddeutsche Zeitung (Beilage 8.-14.2.2001): Einfach die Kraft loslassen... Musikalisch erfüllt sich diese Idee in überbordender rhythmischer Vitalität. 'Hier geht es wieder hin zum archaischen Trommeln', beschreibt Blum das Stück, 'einfach die Kraft loslassen'. Zwar gibt es auch kontemplative Passagen, doch den Elan von Blum kann Schneiders Sinfonie gut gebrauchen. Denn immerhin muss sie sich im Konzert gegen Schlachtrösser wie Tschaikowkys Ouvertüre 1812 und 5. Sinfonie behaupten (Miriam Stumpfe).

Aufführung am 28.4.2009 Musiktheater im Revier Gelsenkirchen
RUHRNACHRICHTEN Konzert: 'Sisyphos' von Enjott Schneider
Von Heinz-Albert Heindrichs am 28. April 2009 16:36 Uhr
GELSENKIRCHEN Die im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier aufgeführte Sinfonie 'Sisyphos' von Enjott Schneider ('Schlafes Bruder') stellt in drei Sätzen die Fronarbeit des antiken Helden, seine Träume und - in einem Kraftakt - seine Befreiung dar.
In Gelsenkirchens Musikleben hat Filmmusikkomponist Enjott Schneider einen Stammplatz: Hier wurde 2002 seine Oper 'Das Salome-Prinzip' gegeben und 2004, im Schalker Jubiläumsjahr, wurde sein Musical 'nullvier - keiner kommt an Gott vorbei' uraufgeführt. Im 9. Sinfoniekonzert hörte man nun die 2002 entstandene Sinfonie 'Sisyphos'.

Der 58-jährige Enjott Schneider erfindet Musik zwischen den Fronten: zwischen Tondichtung und Konzert, zwischen E- und U-Musik, zwischen Stockhausen und Frank Zappa. Der virtuose Schlagzeugsatz mit rockartigen Ostinati im Vordergrund wirkt vitalisierend; er drängt dissonante Klänge in den Hintergrund, so wirken die stärksten Passagen wie spannende Krimi-Musik.
Das Publikum war fasziniert, zumal Johannes Fischer, ein Schlagzeug-Virtuose von überragendem Können, die Balance zwischen den Stilen punktgenau traf. Der Beifall für ihn glich fast dem von Popkonzerten.

Gastdirigent war der Japaner Norichika Iimori, GMD der Württembergischen Philharmonie. Seine Schlagtechnik ist wohltuend sparsam, äußerst präzise, und es ist genau zu verfolgen, wie Gesten seine musikalische Vorstellungskraft auf das Orchester übertragen. Zu Beginn gab es Mozarts 'Pariser Sinfonie', am Ende die 4. Sinfonie von Brahms. Iimori verstand es, beide Sinfonien plastisch und organisch zu entfalten, es war sichtbar und hörbar, wie gern die Neue Philharmonie Westfalen seiner Vorstellung folgte.


?Sisyphos?: ein starkes Finale der Konzertsaison, Rheinische Post vom 27.4.2009 (Hanne Buschmann)
Die Härte des Schicksalspruches wurde zur akzeptierten lebenslangen Aufgabe: Arbeit in und an der Welt, den Gipfel als Korrektiv stets im Bewusstsein. Das Ideal, die Vollkommenheit, kann auf Erden nicht erreicht werden, sich dem zu nähern in stetem Bemühen gibt dem Menschenleben Sinn und Würde. Deshalb sei Sisyphos, der einen Felsblock einen Hang hinaufwälzen muß und beim Erreichen des Gipfels immer den Absturz hinnehmen muss, ein glücklicher Mensch gewesen, erklärt der französische Dichter und Philosoph Albert Camus. Diese Weisheit beherzigte auch der zeitgenössische Komponist Enjott Schneider, der jetzt in Wesel zu Gast war. Seine Sinfonie Nr. 2 für Schlagzeug und Orchester ?Sisyphos? wurde zum großen Abschlußkonzert der Konzert-Saison im Bühnenhaus....Dabei bedurfte es nur ganz natürlicher Aufgeschlossenheit oder Toleranz, um dieses philosophisch grundierte Werk mitzuerleben. Dank dafür, dass es zu hören war. Dank für den außerordentlich disziplinierten Dirigenten Norochikia, dessen Energie sich dem Orchester, der Neuen Philharmonie Westfalen, und dem Hörer mitteilte. Ganz großer Dank an den jungen Ausnahme-Schlagzeuger Johannes Fischer. Dem überreich aufgestellten Schlagzeug ist hier die führende Sprache aufgestellt. Diese berichtet mit vehementen Trommelschlägen und bisweilen schrillen Glockenrufen vom Aufbegehren des Verurteilten und von der Geburt des Klanges, der das All mit dem Menschen verbindet im wunderbaren Adagio; im letzten Satz von der erkämpften geistigen Freiheit des Menschen.....

Tonträger:  WERGO WER 51132 CD SOULPAINTING - SEELENGEMÄLDE,  2015

Tonträger Interpreten: Johannes Fischer (Percussion) und das Deutsche Symphonieorchester DSO Berlin, Ltg.: Wolfgang Lischke aufgenommen im Mai 2015 Telex Studios Berlin, die letzten vier Hörbeispiele sind dieser CD entnommen