Kategorie:  Orgel / Sacred Music , Recordings

SANCTA TRINITAS beschreibt den dreifachen Weg, die Unendlichkeit Gottes und die Tiefe des Universums zu begreifen: man kann es im archetypischen Sinne als Tiefenstruktur vieler anderer Religionen oder der modernen Quantenphysik sehen, wenn man es sich als „I: Der Schöpfer und Ursprung“ – „II: Die Liebe“ – „III: Weltengeist und Ätherkraft“ vergegenwärtigt. Um das Lutherlied WIR GLAUBEN ALL AN EINEN GOTT sind freie Texte gruppiert: vom Astronomen und Naturphilosophen Johannes Kepler, von dem Widerstandskämpfer und Theologen Dietrich Bonhoeffer und von der Mystikerin Hildegard von Bingen.

Sätze: Teil 1: WIR GLAUBEN ALL AN EINEN GOTT
01- 1. Introduktion: WIR GLAUBEN ALL (Martin Luther)
02- 2. Jubilus: WIR GLAUBEN ALL (Martin Luther)
03- 3. ER WILL UNS ALLZEIT ERNÄHREN (Martin Luther)
04- 4. Exclamatio: GROSS IST UNSER HERR (Johannes Kepler)
05- 5. LOBT IHN, SONNE, MOND UND PLANETEN (Johannes Kepler)
06- 6. VON EWIGKEIT ZU EWIGKEIT (Johannes Kepler)

Teil 2: JESUS CHRISTUS - MENSCH UND BRUDER
07- 1. Prolog für Orchester
08- 2. Konduktus: WIR GLAUBEN AUCH AN JESUM CHRIST (M. Luther)
09- 3. Kreuzigung nach dem Markus-Evangelium
10- 4. MEIN GOTT, WARUM? (Ev. Markus)
11- 5. Tenebrae für Orchester mit Solovioline
12- 6. VERSÖHNUNG AUS DER FINSTERNIS (Dietrich Bonhoeffer)
13- 7. Epilog: Fragendes Licht für Orchester mit Solovioline

Teil 3: SPIRITUS SANCTUS: TAUBE-WASSER-FEUERSTURM
14- 1.WIR GLAUBEN AN DEN HEILGEN GEIST (M. Luther)
15- 2. Interludium I: DIE TAUBE für Orchester
16- 3. SPIRITUS SANCTUS MOVENS OMNIA (Hildegard von Bingen)
17- 4. Interludium II: DAS WASSER für Orchester
18- 5. Feuersturm: ICH BIN DAS FEUER (Hildegard von Bingen)

Dauer: 65 Minuten

Notenausgabe: Strube-Verlag München , 2015

Besetzung: SANCTA TRINITAS - Oratorisches Triptychon für Sopran, Bariton, Chor und Orchester mit:
Inga Lisa Lehr (Sopran) - Jens Hamann (Bariton)
Aachener Bachverein
Deutsches Radio Kammerorchester
Leitung: Georg Hage

Textdichter: Martin Luther, Hildegard von Bingen, Johannes Keppler, Dietrich Bonhoeffer, Markus-Evangelium/Neues Testament

Vorwort: Zentrum des Oratoriums ist Martin Luthers Trinitätslied von 1524 WIR GLAUBEN ALL AN EINEN GOTT, dessen drei Strophen Bezug nehmen zu den drei Glaubensartikeln von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Jeder Teil des Triptychons stellt der Lutherschen Liedstrophe einen freien Text gegenüber: In Teil 1 ist es eine Lobpreisung des Astronoms, Naturphilosophen, Mathematikers und Theologen Johannes Kepler (1571-1630). In Teil 2 ist es ein bittendes Gedicht (aus „Gedichte aus dem Widerstand“) von Dietrich Bonhoeffer (1906-1945), das er kurz vor seiner Ermordung durch die Nazis in Schmerzen und Zweifeln einer entsetzlichen Kerkerhaft schrieb. Es steht in Teil 2 daher im Kontext eines „Warum“ und eines „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ In Teil 3 über den heiligen Geist wird dieser mit den Taufsymbolen Taube und Wasser in Berührung gebracht, vor allem aber wird der Spiritus Sanctus mit der brausenden Energie gekennzeichnet: der hier kommentierend hinzugezogene Text der Mystikerin Hildegard von Bingen (1098-1179) „Der Heilige Geist ist Quelle des Lebens“ thematisiert das Flammen, Lodern, Brennen, Leuchten unmittelbar und führt zu einem eindrucksvollen Finale.
Die Stilistik des Oratoriums ist von der auf Mittelalterliches verweisenden Archaik des Lutherschen Liedes beeinflusst: So kann man – etwa im Jubilus des Teils 1 – einen tänzerischen Saltarello vernehmen. Solcher Diatonik stehen aber ganz bewußt wieder chromatische und in moderner Tonsprache gehaltene Teile gegenüber. Da in dem Uraufführungskonzert von Teil 2 Werk auch Mozarts Requiem d-moll aufgeführt wurde, nimmt hier die Vertonung von Bonhoeffers „Menschen gehen zu Gott“ den rhythmischen Gestus von Mozarts einzigartimen „Lacrimosa“ mit den flehenden Achteln auf. In den Kontext von Mozarts Genialität genommen erhält Bonhoeffers Text eine kosmische Weite und wird zu einer berührenden „Versöhnung aus der Finsternis“. – Da instrumentale Musik oft dort ihre Transzendenz aufweist, wo Begrifflichkeit und Logik der Wortsprache enden, hat in dem Triptychon das Orchester auch Wesentliches „zu sagen“: etwa in der Trauer des „Tenebrae“ , im „Fragenden Licht“ oder in „Wasser“ und „Taube“.

Anmerkungen: Persönliches Credo: Während man in der Trinität des dreieinigen Gottes sich über die Konkretheit des „Vaters“ allzu schnell in simplifizierte Muster rettet oder komplexe theologische Deutungen bemüht, während man bei „Jesus“ mit der historischen Stimmigkeit, Quellensicherheit oder wunderhaften Widersprüchen wie Jungfrauen-Geburt, Auferstehung und Himmelfahrt ins Grübeln kommen kann... so ist uns der „Heilige Geist“ als nahezu physikalisch-naturhafte Kraft verständlich: Er ist – wie Hildegard von Bingen in ihrer universalen Sicht der Naturwissenschaften klar erkannte - der Urstoff aller Wesenheiten, er ist die energetische Schwingung der Atome und Gestirne, er ist das Prinzip „Leben“, das Pflanze, Tier und Mensch als lebendiges Wesen zusammenhält. Wenn dieses beseelende Ordnungsprinzip aus einem Organismus weicht, dann stirbt dieser, er zerfällt.
In der Physik finden wir den „Heiligen Geist“ als Ordnungskraft hinter allen Dingen beispielsweise im Begriffs des ‚Äthers’, jenem hypothetischen Medium für die Ausbreitung des Lichts auch im Vakuum. Er ist in den Strukturformeln der Mathematik zu finden, die sämtlichen Gestaltkräften zugrunde liegen. In den uralten chinesischen Naturwissenschaften sprach man von CHI (QI) als unsichtbarem Grundstoff des Seins, der alles mit allem verbindet, als Fluidum der Welt. Indigene Völker Amerikas sprechen seit Urzeiten von Manitu als „Allumfassendes Geheimnis“ und „Große Kraft“.
Wir Lebewesen und alle Materie sind nur Schein und nicht real. Wir bestehen bekanntlich zu 99% aus Leere, Vakuum, aus wirbelnder Energie. Und das, was diese Energie strukturiert und zusammenhält und zur „Welt“ – also zum „Wellenden“ werden läßt, - das ist ein kosmisches Bewusstsein, eben der „Heilige Geist“.
Daher lag es mir nahe, zur dritten Strophe von „Wir glauben all an einen Gott“, einen Text von Hildegard von Bingen gegenüberzustellen. Sie hat sich fast leitmotivisch mit dem Heiligen Geist als Schöpfungsprinzip der Welt auseinandergesetzt. Ihre ausgeprägte Seite als Naturforscherin und Biologin macht sie in den Texten kompetent und intuitiv hat sie viele Ergebnisse der modernsten Physik und Astronomie vorgeahnt, - oder vielleicht klar gewußt. – Ihre geniale Formulierung Spiritus Sanctus vivificans vita, movens omnia, ist eigentlich aus dem granit-gemeisselten Latein in keine andere Sprache übersetzbar. Daher wurde dieser Einleitungsteil in lateinischer Sprache belassen und erst ab dem Ich bin das heimliche Feuer in allem die subjektivistische deutsche Sprache gewählt. Eine grandiose und absolut überzeugende Beschreibung des „Heiligen Geistes“

Uraufführung:  26.11.2017, Aachen, Kirche St. Michael / Hagios Dimitrios im Rahmen der 44. Aachener Bachtage 2017

Uraufführung Interpreten: In Aachen fand am 26.11.2017 die Uraufführung der Gesamtfassung von SANCTA TRINITAS. Die drei einzelnen Teile wurden bereits früher aufgeführt:
Teil 1: Januar 2015 Bayreuth Evangelische Stadtkirche
Teil 2: April 2015 Bayreuth im Rahmen der Bayreuther Osterfestspiele Evangelische Stadtkirche
Teil 3: Juni 2015: Bayreuth Evangelische Stadtkirche

Tonträger:  Ambiente Audio als Volume 14 der Serie ENJOTT SCHNEIDER - SACRED MUSIC ACD 3042 LC 07811,  2018

Tonträger Interpreten: Inga Lisa Lehr (Sopran) - Jens Hamann (Bariton)
Aachener Bachverein
Deutsches Radio Kammerorchester
(Nina Reddig, Solovioline)
Leitung: Georg Hage

Tonmeister (Aufnahme und Schnitt): Toms Spogis